Der karnistische Weg oder die Psychologie des Tiere essens

Schon lange beschäftigt mich die Frage: wie könnten wir es schaffen, dass die Menschen im Supermarkt eine Verbindung zwischen dem Lebensmittelendprodukt und dem dazugehörigen lebenden Tier schaffen. Warum ist das so schwierig? Das war bei mir nicht anders. Erst seit dem ich mich mit dem fleischlosen Weg beschäftige, bin ich zumindestens in dieser Sache Achtsamer geworden. Aber warum ist das so?
Da stoße ich auf ein für mich neues Wort: Karnismus. Hört sich ähnlich wie Karma an, aber wenn Du dann weiter suchst, findest Du sehr interessante Artikel und Erklärungen zu diesem Phänomen.

Die Psychologin Dr. Melanie Joy gab dem Glaubenssystem rund um den Fleischverzehr einen Namen: Karnismus. Dieses Glaubenssystem ermöglicht uns Menschen, manche Tiere als Fleischlieferanten zu betrachten und andere Tiere nicht.

Wir leben in einem unsichtbaren System von Überzeugungen, Werten, Normen, die uns seit unserer Kindheit an konditioniert worden sind. In unserer Kultur finden wir Haustiere süß und behandeln sie manchmal besser als unsere Mitmenschen. Das Verspeisen dieser Tieren kommt für uns definitiv nicht in Frage, ist ekelerregend und unvorstellbar. Und trotzdem entscheiden wir uns als tierliebende Menschen, die keinem Wesen etwas schlechtes antun möchten, für eine Ernährungsweise, die Tieren Schaden zufügt. Dieses Verhalten nennt Dr. Joy das Fleisch-Paradoxon.
Dabei sprechen wir den “Nutztierrassen” jedes Gefühl, jede Intelligenz, jede Seele ab und verstecken uns hinter einer “Tradition”. Fleischessen ist gut, Fleischessen ist natürlich, Fleischessen ist überlebenswichtig – ohne dabei zu beachten, wie viele Menschen auf dieser Welt sehr gut ohne Fleisch leben können. Ohne zu beachten, dass diese Worte nicht unseren persönlichen Erfahrungen entsprechen, sondern wir darauf nur konditioniert worden sind. Wenn wir uns davon frei machen, uns wirklich informieren und eine andere Sicht auf die Dinge bekommen, haben wir die Chance unsere Sichtweise und unser Leben zu verändern.
Selbst im ländlichen Leben ist das Bewusstsein über das Schlachten von Tieren verloren gegangen. Durch das Verbot der EU der Hausschlachtungen und die Erhöhung der Hygienestandards, wurde Platz gemacht für große Schlachthöfe, die weit weg von uns Menschen, weit weg von unserem Bewusstsein auf der grünen Wiese entstanden sind. Wir töten so viele Tiere wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Um das nicht zu sehen, verbergen wir das hinter hohen Mauern. Was wir nicht wissen, darüber müssen wir nicht nachdenken. Wir schaffen mit der Massentierhaltung moderne Konzentrations- und Vernichtungslager für Lebewesen, denen wir jede Moral, jedes Gefühl, jede Seele, jedes Recht auf Selbstbestimmung absprechen. Spirituell und energetisch kommt das einem Massenmord nahe. Ich finde hier kein anderes Wort dafür. Insbesondere wenn ich lese, dass zwei Jahre in einem Schlachthof die Tiere ohne jegliche Betäubung ums Leben gebracht werden, bei lebendigen Leibe zerteilt werden und das mit dem Wissen des Veterinäramtes. Mit welcher schrecklichen Brutalität gehen wir hier vor? Was lassen wir hier zu? Nicht umsonst ist die personelle Fluktuation in Schlachthöfen so hoch wie kaum woanders. Im Schnitt arbeiten die Mitarbeiter nur 11 Monate in einem Job, bei dem es um das Töten im Akkord geht. Da kann doch irgendetwas nicht richtig sein. Oder?

Was wir unserer Umwelt und unserer direkten Zukunft damit antun, ist unvorstellbar. Es wird uns einholen wenn wir jetzt nicht umdenken.

Aber wie können wir uns das Bewusst machen?
Wir schalten ganz automatisch in einen sozialen und psychologischen Verteidigungsmechanismus, der uns veranlasst daran teilzuhaben (also das Fleischpaket einzukaufen und zu verzehren), ohne das wir wirklich vollständig realisieren, was wir da wirklich tun. Im Übrigen, auch mit dem Schritt zum Biofleisch belügen wir uns selber. Auch diese Tiere werden ausgenutzt. Vielleicht, wenn wir Glück haben, ist die Fütterung in Ordnung, aber auch diese Lebewesen werden gegen Ihren Willen geschlachtet, ausgenützt und von Ihren Artgenossen getrennt.
Wir müssen und wir werden eine positive Stimmung für die vegetarisch/vegane Ernährung schaffen. Wir verzichten auf nichts und wir vermeiden sogar Leid für unsere Mitlebewesen. Diese Ernährung ist weder langweilig, ungesund noch verstößt sie gegen unsere Natur.
Wir sind alles Eins. Nehmen wir das einfach mal an. Dann wäre es doch unvorstellbar, einem anderen Lebewesen Schaden zuzufügen, mit dem Wissen, dass wir uns selber damit schädigen. Was wir anderen antun – tun wir uns an. Mit dieser Sichtweise ist ein Tierleidfreies Leben möglich – und ich bin überzeugt davon, dass dieser Weg eine Schlüsselstellung für die Zukunft und den Weiterbestand der Menschheit auf diesem Planeten sein wird. Wir sind nicht nur für die Zeit unseres Lebens verantwortlich. Wenn wir Kinder bekommen, dann fühlen wir uns auch schon für die nächste Generation mit verantwortlich. Wenn die Enkelkinder kommen, ist meine Generation schon verantwortlich für drei Generationen. Deswegen hat unser heutiges Tun eine direkte Auswirkung auf uns und auf die Generation unserer Enkelkinder.

Wir müssen uns Gedanken machen, Stellung beziehen. Die Welt ändert sich, weil wir uns ändern. Was früher Normalität war, müssen wir heute überdenken und unsere Einstellung dazu verändern.

Nur Wissen – und eine kreative Auseinandersetzung mit uns Selbst – schafft eine lebenswerte Zukunft.
Meine Quellen: Vebu – Karnismus erkennen – Wikipedia – WWF
Veröffentlicht auf huggl.blog am 29. Oktober 2016

Ein Kommentar

  1. PI-Gruppe München Antworten

    Dass wir Menschen und darüber hinaus alle Lebewesen auf diesem Planeten miteinander verwandt sind, halte ich für unbestritten. Steht auch in „A short history of nearly everything“ von Bill Bryson.
    Es ist aber nunmal so, dass es Lebewesen gibt, die als Vegetarier leben, andere, die als Fleischfresser, und wieder andere, die als Schmarotzer leben — oder sich von Sonnenlicht, Wasser und ein paar Mineralien ernähren.
    Das hat „die Natur“ so eingerichtet — oder besser, es hat sich im Laufe der Evolution so ergeben.
    Es steht natürlich jedem frei, auf fleischliche Nahrung zu verzichten — auch wenn sich manche Raubtiere damit evtl. ein wenig schwer tun würden, weil deren Stoffwechsel darauf nicht eingestellt ist.
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