Ich habe so ein veganisches Gefühl ….

Ich habe einen interessanten Artikel zugeschickt bekommen. Darin ging es um Statistiken und wie sich Veganer sonst so in die Taschen lügen. Ich halte diesen Artikel für sehr gut recherchiert und in vielen Punkten hat der Autor sicher recht.
Und doch geht dieser Bericht zu kurz, umfasst nicht alles und dringt nicht in das Zentrum. In vielen Magazinen ist das Thema „Vegan“ völlig Hipp und In. Es ist doch auch so ein schönes Thema, um das man so viele bunte Geschichten schreiben kann.
Plötzlich entwickelt sich ein Nobody, der auch heute vom Kochen keine Ahnung hat, zum Messias der veganen Kochszene. Und Nobody meine ich überhaupt nicht abwertend. Viele Quereinsteiger haben mehr Talent als manch Fernsehkoch mit seinen Pseudosternen für sich verbucht. Ich mag Attila Hildmann und finde seine bisherige Lebensleistung hervorragend, auch wenn er mir oft zu prollig und nicht sehr sympathisch rüberkommt. Aber in der Gastronomie ist es alltäglich, mit prolligen und unsympathischen Köchen umzugehen.
Und natürlich sind viele Statistiken völlig falsch interpretiert – und dort, wo es keine gibt, macht man halt selber eine. Das nennt sich wohl kreative Buchführung. So in der Art: ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt oder besser noch, traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast.
Der Umgang mit kreativen Statistiken wird natürlich auch gerne von jeder Seite benutzt. Da heißt es, der Anbau von Tofu ist schlecht für die Welt, da er nur für die Veganer angebaut und deswegen der Regenwald abgeholzt wird. Das dies nicht so ist, dass Tofu zum großen Teil für Viehfutter verwendet wird, natürlich nicht für die dortigen Zwecke, sondern nur für unsere Tiere, ums sie so schnell wie möglich zu mästen und dann Ihrem vorbestimmten Schicksal zuzuführen. Das wird gerne verschwiegen. Mein Tofu – wenn ich es überhaupt mal kaufe und zubereite, kommt aus dem guten alten Deutschland und ist im Bioanbau groß geworden.
Was für mich viel schlimmer ist, ist die derzeitige Unvereinbarkeit der veganen Szene. Da gibt es zum einen die Tierrechtler und -retter. Zum anderen die Gesundheitsprediger und Ernährungsveganer. Und nicht zu vergessen, der harte Kern der „anscheinend missgelaunten Veganer“, die hinter jedem Strauch einen Vegetarier vermuten und wenn nicht, dann wenigstens einen Verkappten Menschen, der die vegane Szene mit rechtem Gedankentrieb unterwandern möchte. Und genau diese Uneinigkeit wird gesteuert und genährt von einer ehemaligen ökologischen Politikerin, die für sich in Anspruch über alle ökologischen Themen nimmt und die Meinungshoheit zu haben seint und sich im Übrigen über die vegane Lebensweise amüsiert. Und trotzdem nimmt sie sich das Recht über andere zu Urteilen und dadurch die Szene empfindlich durch Un- und Halbwahrheiten, aber auch der hinterhältigen, schlechten Rede zu stören und durcheinander zubringen. Im Hintergrund freut Sie sich diebisch über die wirklich kreativen Hetzkampagnen im Internet, welche leider gerne ungeprüft geteilt werden. Für mich ist das die Querfront, die unsere vegane Szene durchdringt und zersetzt. Das hat für mich leider auch viel Ähnlichkeit mit faschistoiden Gedanken – genau diesen Dingen, die bekämpft werden sollen.
Wenn wir Gemeinsam aufstehen würden, die Tierrechtler und Tierretter, die Gesundheitsveganer und Vegetarier. Wenn all die guten Menschen gemeinsam für eine Sache einstehen würden, hätte die Fleischindustrie, die Massentierhaltung und die Pharmaindustrie immense Probleme. Wir könnten alle Statistiken wiederlegen und das nicht nur durch Worte, sondern durch Beispiel. Durch das Vorleben von glücklichem, zufriedenen Leben. Mit der Gewissheit, kein anderes Leben muss jemals wieder für mich leiden.
In der Zwischenzeit bekämpfen wir uns in verblödenden Diskussionen untereinander und jeder nimmt für sich in Anspruch, der Super-Veganer (= die reine Lehre) zu sein. Dieser Kleinkrieg ist aber ein Nebenkriegsschauplatz (bitte verzeiht meine martialischen Ausdrücke, aber manchmal geht es nicht anders). Denn bei diesen Kleinkriegen sieht er nicht, wie die Welt sich weiterdreht und wir immer so weitermachen. Genauso wie wir es von der Wirtschaft, von den Medien, von der Politik, von unseren Vorbildern vorgelebt bekommen. Der ewige Kreislauf.
Wir müssen den elenden Weltzynismus und das Ego in uns bekämpfen. Erkenne Dich selbst, ist ein wahrer Ausdruck. Solange wir von unserem Teller über den Hunger der Welt zur Schuld der Industrienationen keine Verknüpfung in uns herstellen, solange erkennen wir nicht den Ausweg, so einfach er auch sein mag.
Aber genau den Zynismus nimmst Du selber für Dich und lästerst und urteilst schnell über andere vegan lebende Menschen. Du nennst Sie Puddingveganer, Hippies bei denen es doch nur eine Mode sei, weil hipp ist. Und die Vegetarier sind auch nur Tierausbeutende Menschen. Diese laschen Vegetarier, die noch nicht den glorreichen Weg zum Weltveganertum gefunden haben.
Das macht mich Traurig. Diese Zerstrittenheit, dieser Anspruch der eigenen heiligen Meinung. Seht Ihr nicht, wie Klein Ihr Euch dadurch macht? Und wie gleich wir dadurch sind.
Es gibt keine Querfront – was auch immer das heißen soll. Es gibt keine rechten Tendenzen. Nur weil AH angeblich Vegetarier war, hat das überhaupt keinen Einfluss. Und wenn es rechte Tendenzen geben würde, dann müssen wir im Gespräch bleiben.
Nur im Gespräch können wir die Welt verändern. Dabei können wir die Argumente aus dem Standpunkt des Gegenübers wahrnehmen und verstehen. Wir müssen den Ausgangspunkt seiner Meinung erkennen. Denn wenn Du die Geburt des Gedankens erkennst, erst dann kannst Du dein Gegenüber von der Wahrheit überzeugen.
Aber wir bleiben lieber zerstritten und bekämpfen uns in den vielen Foren dieser Welt.  Und in der Zwischenzeit können wir weiter Statistiken fälschen oder für uns auslegen. Oder gegen die Anderen. Kommt halt auf die Sichtweise an.
Ich bin kein Besser-Veganer und ich war gewiss niemals ein Besser-Mensch. Ich erhöhe mich nicht, indem ich nur Lebensmittel weg lasse. Veganer sein – das geht viel tiefer. Das ist umfassender.
Noch ein kleiner Zwischengedanke: für mich beinhaltet die vegane Lebensweise auch die Menschen, die sich bewusst vegetarisch ernähren. Wir sind auf der gleichen Seite. Vielleicht brauchen wir dafür ein anderes Wort? Veganisch? Manche finden das unpassend, ich dagegen finde es entzückend!
Zurückzukommen auf das tiefgehende, veganische Gefühl. Es ist eine allumfassende Einstellung, die alle in unserem Leben betreffende Dinge, Gefühle, Sachen umfasst.
Ich habe auf einer Veganmesse in Hannover ein Ehepaar mittleren Alters getroffen. Wir haben über die Auslöser der veganen Lebensweise gesprochen. Eine Aussage wird mir immer im Gedächtnis bleiben. Der Mann sagte: „wenn ich gewusst hätte, was ich alles mit der Umstellung auf die vegane Ernährung auslöse. Wie allumfassend dieses Thema ist, hätte ich nicht den Mut gehabt, das zu tun.“ Als er diese Aussage traf, strahlten er und seine Frau mit so viel Zufriedenheit und Glück, so viel Gesundheit und so viel positiver Energie, die mich heute noch begeistert. Da war so viel Bewusstsein. Und danach suchen wir alle – nach Bewusstsein, nach dem Sinn für all die Mühe unseres Lebens.
Das hat mich sehr beeindruckt und begleitet mich jeden Tag. Du fängst über alle Dinge in Deinem Leben nachzudenken an. Dein Essen bekommt Augen, die Pillen die Du unreflektiert in Dich einwirfst bekommt auch Augen. Dein Auto, Deine Reisen, Dein Denken, alles wird anders.
Es ist, als wenn Du einen halben Schritt neben Dir stehst und Dein Leben aus einer bewussteren Perspektive siehst. Und Du siehst dabei, was wichtig ist, aber auch mit wie viel unwichtigem Zeug Du Dich beschäftigt hast. Du siehst auf Dich, und siehst wie sich Dein Verstand nur um das Eine, dem Ich, Ich, Ich kreist. Nur ich bin wichtig!
Aber das Erkennen ist gar nicht so schlimm. Denn jetzt hast Du ein veganisches Gefühl, dass alles umfasst. Vielleicht ist es nur ein Bauchgefühl. Aber es tut gut und plötzlich sind alle gutgemeinten Statistiken unwichtig.
Und Du erkennst: nur durch das Weglassen bin ich Vollständig.
Und jetzt müssen wir nur noch aus dem veganischen Gefühl ein Wir machen. Wie schaffen wir das? Dem auf den Grund zu gehen, das erscheint mir als eine wertvolle Rest-Lebensaufgabe.
Lasst uns darüber reden und berichten. Über das positive Gefühl, über die positiven Auswirkungen der veganischen Lebensweise auf uns und auf unsere Umgebung.
Lasst uns aufhören untereinander zu streiten und uns anzuschreien. Damit erreichen wir nur, das was die Welt ist und nicht das was sie sein könnte.
Der Ausgangspunkt meiner Polemik:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/veggie-magazine-und-peta-luegen-fuer-den-guten-zweck-15202282-p2.html

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.