Wann ist der Mensch frei?

Manche von Euch wissen, dass ich mich in diesem Jahr intensiv mit der Philosophie der Stoa beschäftige. Ich könnte jeden Tag etwas über die Stoa posten, denn ihre Philosophie behandelt aktuelle Themen und geben Antwort auf viele Fragen von Heute.

In diesen 2000 Jahre alten Texten kommen genau heutige Fragen, Gedanken, Gefühle und Einstellungen vor auf denen sehr intensive Antworten gegeben werden. Wir können viel Weisheit aus diesen Texten ziehen und wenn wir uns daran halten, wäre unsere heutige Welt noch viel erstaunlicher.

Wir fühlen uns als der moderne Übermensch mit all unserer Technik und überragenden Zivilisation. Aber wenn ich diese Texte lese, dann habe ich die gleichen Fragen und Ängste, wie die Menschen um Christi Geburt. Was sagt uns das? Sind wir heute so viel Freier als die Sklaven von damals? Jeder der eingeschränkt, genötigt und gezwungen ist, ist auch unfrei – so heißt es in dem Text von Epiktet.

Den heutigen Text habe ich aus dem Buch: Der tägliche Stoiker von Ryan Holiday vom 11. März (Seite 89) herausgesucht. Gerade dieser Text hat mich heute tief beeindruckt, da ich die Miniserie „Bad Banks“ ansehen durfte und dieses widerliche Lebensgefühl, welches dort als elitäres Leben erzählt wurde, mich so erschütterte. Dieses Lebensgefühl schmeckt so salzig und auch so gammelig und ist nur eins, Unfreiheit! Vielleicht könnt Ihr mir das nachfühlen. Wer immer heute noch meint, Geld macht frei, wird irgendwann eines besseren belehrt. Aber genug meiner Einleitung. Lasst den Text auf Euch wirken:

„Ein Mensch ist dann frei, wenn er uneingeschränkt in jeder Situation die Entscheidung selbst in der Hand hat. Aber jeder, der eingeschränkt, genötigt und zu etwas gezwungen werden kann, ist ein Sklave.“„Ein Mensch ist dann frei, wenn er uneingeschränkt in jeder Situation die Entscheidung selbst in der Hand hat. Aber jeder, der eingeschränkt, genötigt und zu etwas gezwungen werden kann, ist ein Sklave.“

Epiktet, Lehrgespräche, 4.1.128b-129a (50-135 n.Chr.)

Wirf mal einen Blick auf einige der mächtigsten, reichsten und berühmtesten Menschen der Welt. Lass das Drumherum ihres Erfolgs außer Acht und ignoriere, was sie sich alles kaufen könnten. Schau stattdessen, was sie dafür geben mussten. Schau, was der Erfolg sie gekostet hat. Und was ist es? Freiheit. Die Arbeit macht es erforderlich, dass sie Anzüge tragen. Ihr Erfolg hängt davon ab, dass sie bestimmte Partys besuchen und sie müssen sich mit Menschen gutstellen, die sie nicht mögen. Das erfordert zwangsläufig, dass sie feststellen müssen, dass sie nicht mehr sagen können, was sie wirklich denken. Noch schlimmer ist, dass es sie zwingt, ein anderer Mensch zu werden oder schlechte Dinge zu tun. Sicher, es mag gut bezahlt sein, aber sie haben diesen Handel nicht wahrhaft bedacht. Wie sagte Seneca: „Sklaverei haust in Marmor und Gold.“ Zu viele erfolgreiche Menschen sitzen in Gefängnissen, die sie sich selbst errichtet haben. Kannst du so etwas wollen? Ist es das, worauf du mühsam hinarbeitest? Besser nicht.

Aus: der tägliche Stoiker von Ryan Holiday

© Holger Pangritz, Göttingen 13. März 2018


Weitere Hintergrundinformation:

Mehr zu Epiktet (50 – 135 n. Chr.) findet Ihr hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Epiktet
Mehr zu Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.): https://de.wikipedia.org/wiki/Seneca


Und natürlich auch unser aktuelles Thema – die Würde in unserem heutigen Leben: https://www.wuerdekompass.de/projekte/aufruf-zur-wuerde
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